Foto: stock.adobe.com - sebra

GeriPAIN: Erste umfassende S3-Leitlinie für Schmerzmanagement bei älteren Menschen in Deutschland erschienen

Die Deutsche Schmerzgesellschaft e.V. hat diese Woche die erste nationale und internationale S3-Leitlinie speziell für ältere Menschen mit akuten und chronischen Schmerzen veröffentlicht: „Schmerzmanagement bei GERiatrischen PAtIeNt:innen (GeriPAIN)“. Die Leitlinie ist im AWMF-Leitlinienregister unter der Registernummer 145-002 als S3-Leitlinie eingetragen und steht ab sofort allen medizinischen Fachkräften, Pflegenden, Therapeut:innen sowie Entscheidungsträger:innen im Gesundheitswesen frei zur Verfügung.

Schmerz ist kein „normales“ Altersthema – sondern ein Risikofakt

In Deutschland sind bereits über 22 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre und älter – ein Anteil, der weiter zunimmt. Geriatrische Patient:innen sind aufgrund von Multimorbidität, Polypharmazie und kognitiven Beeinträchtigungen besonders empfindlich gegenüber Schmerzen und damit gefährdet. Schmerz ist dabei nicht nur ein Symptom, sondern ein wesentlicher Prädiktor für Gebrechlichkeit, Sturzneigung, Pflegebedürftigkeit und erhöhte Sterblichkeit. Dennoch bleibt Schmerz bei älteren Menschen häufig unerkannt oder unzureichend behandelt, oft weil er fälschlicherweise als „normal“ im Alter betrachtet wird. Diese Fehleinschätzung wirkt sich erheblich auf Lebensqualität und Wohlbefinden aus.

Evidenzbasierte Empfehlungen für eine sichere und individuelle Therapie

„GeriPAIN“ bietet erstmals eine strukturierte, evidenzbasierte Orientierung für die Diagnose und Behandlung von Schmerzen bei älteren Menschen. Die Leitlinie geht auf besondere Herausforderungen ein, etwa die Schmerzerkennung bei Menschen mit Demenz oder kognitiven Einschränkungen. Sie gibt klare Empfehlungen für nicht-medikamentöse Therapien, darunter Physiotherapie, Ergotherapie, psychosoziale Unterstützung und Bewegungstherapie. Gleichzeitig werden sichere und wirksame medikamentöse Strategien erläutert, die auf individuellen Risiken und möglichen Wechselwirkungen basieren. Invasive Verfahren wie gezielte Injektionen oder Nervenblockaden werden nur bei eindeutigen Indikationen und unter Berücksichtigung des Gesamtrisikoprofils empfohlen.

Ein wesentlicher wissenschaftlicher Vorteil der Leitlinie besteht in der Integration interdisziplinärer Perspektiven: Ärzt:innen, Pflegekräfte, Therapeut:innen, Sozialarbeiter:innen und Patient:innen werden gleichermaßen in den Versorgungsprozess einbezogen. Dadurch wird eine ganzheitliche, patientenorientierte Versorgung gefördert, die über die reine Symptombehandlung hinausgeht.

Beteiligung von Betroffenen

Ein besonderes Merkmal der Entwicklung von „GeriPAIN“ ist die aktive Einbindung einer Vertreterin der Schmerzbetroffenen bereits bei der Antragstellung. Heike Norda von der UVSD SchmerzLOS e.V. war dabei nicht nur als Expertin, sondern auch als Erfahrungsvertreterin in den Prozess eingebunden. Dies verdeutlicht das Ziel der Leitlinie: Schmerzversorgung auch aus der Perspektive der Betroffenen zu gestalten.

Für mehr Sicherheit, Qualität und Teilhabe im Alter

„GeriPAIN“ hat das Ziel, die Patient:innensicherheit zu erhöhen, Versorgungsbrüche zu vermeiden und die interprofessionelle Zusammenarbeit im Schmerzmanagement zu stärken. Durch die klaren, evidenzbasierten Empfehlungen wird eine verbesserte Versorgungsqualität ermöglicht, die zugleich wirtschaftlicher und nachhaltiger ist. Gleichzeitig unterstützt die Leitlinie die Partizipation älterer Menschen an ihrer eigenen Gesundheitsversorgung, ein zentrales Anliegen der modernen Medizin.

Ein neuer Standard für die Versorgung im Alter

Mit der Veröffentlichung von „GeriPAIN“ wird in Deutschland erstmals ein umfassender, interprofessioneller und sektorenübergreifender Ansatz für das Schmerzmanagement bei älteren Menschen etabliert – sowohl in der ambulanten, akutstationären als auch langzeitstationären Versorgung. Die Leitlinie baut auf der bestehenden S3-Leitlinie „Schmerzassessment bei älteren Menschen in der vollstationären Altenhilfe“ (AWMF-Registernummer 145-001) auf und erweitert diese um zentrale Aspekte der Diagnosestellung sowie der nicht-medikamentösen, medikamentösen und invasiven Schmerztherapie. So entsteht erstmals ein systematischer Rahmen für die ganzheitliche Schmerzversorgung im Alter.

Zugang und Verbreitung

Die vollständige S3-Leitlinie „GeriPAIN“ ist ab sofort im AWMF-Leitlinienregister sowie auf der Website der Deutschen Schmerzgesellschaft https://www.deutsche-schmerzgesellschaft.de frei zugänglich. Sie steht damit allen Fachkräften und Interessierten zur Verfügung, um die Versorgung älterer Menschen mit Schmerzen in Deutschland nachhaltig zu verbessern.

Die Entwicklung der Leitlinie wurde durch den Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (Aktenkennzeichen: 01VSF22017) gefördert. Die Koordination lag bei der Deutschen Schmerzgesellschaft e.V. unter der Projektleitung von Prof. Dr. Erika Sirsch (Essen), Prof. Dr. Thomas Fischer (Dresden), Dr. Corinna Drebenstedt (Friesoythe) und Heike Norda (UVSD SchmerzLOS e.V.).

Wissenschaftlicher Ansprechpartner: Prof. Dr. Erika Sirsch

Zeige mir Aktuelles aus der Kategorie...


Sie möchten Pflegewissenschaft abonnieren?

Pflegewissenschaft ist die interntionale, peer-reviewte Fachzeitschrift für alle Berufe der Pflege. Sie möchte einen Beitrag für Wissenschaft, Forschung und Praxis des Pflegeberufes leisten sowie Praktikern konkrete Hilfen und Anregungen geben.

Bleiben Sie stets auf dem aktuellen Stand der Pflegeforschung:

Jetzt Probe lesen