Foto: stock.adobe.com - Paopano

Forschungsprojekt Care4Care: Policy Paper fordert EU-weite Strategien gegen den Pflegenotstand

In vielen EU-Mitgliedstaaten befindet sich die Pflegebranche in einer tiefgreifenden Krise, die durch belastende Arbeitsbedingungen und einen wachsenden Fachkräftemangel gekennzeichnet ist – Probleme, die sich gegenseitig verstärken. Ein aktuelles Policy Paper des Forschungsprojekts Care4Care widmet sich dieser Thematik und analysiert politische Handlungsoptionen, um der Entwicklung sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Ebene der Europäischen Union entgegenzuwirken.

An dem Papier mitgewirkt haben unter anderem die Arbeitsrechtlerin Prof. Dr. Eva Kocher und der Anthropologe Dr. Ziga Podgornik-Jakil von der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Italien, Spanien, Schweden, Polen und Frankreich wurden länderspezifische sowie grenzüberschreitende Ansätze erarbeitet, die darauf abzielen, die Arbeitsbedingungen in der Pflege nachhaltig zu verbessern und langfristig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Zu den Kernforderungen des Papiers gehören eine bessere Prävention und Berücksichtigung von körperlichen und psychosozialen Belastungen sowie geregelte Qualifikations- und Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb des Berufes. Auch im Bereich der Arbeitsmigration sieht das Papier akut Defizite. Prof. Dr. Eva Kocher konkretisiert: „Damit sich die Hoffnung, die viele in die Migration setzen, erfüllen kann, braucht es deutlich mehr als nur ein Anwerbeprogramm. Neben der Anerkennung von Qualifikationen ist das eine Frage des Willkommens und der Integration. Ein einfaches Beispiel: Sprachkurse sollten finanziert werden und innerhalb der Arbeitszeit belegt werden können.“

Darüber hinaus hebt das Projekt die vielfältigen Gesundheitsrisiken hervor, die mit Pflegeberufen einhergehen – etwa durch körperliche Belastungen sowie durch psychosoziale Faktoren wie Stress, Gewalt und Belästigung. Als zentrale Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen wird die konsequente Umsetzung bestehender Regelungen zu Arbeits- und Ruhezeiten benannt. Zusätzlich wird betont, dass verbindliche Betreuungsschlüssel notwendig sind und deren Einhaltung sichergestellt werden muss.

Explizit betrachten die Forschenden das Feld der Live-In-Pflege, wenn also das Pflegepersonal mit der pflegebedürftigen Person in einem Haushalt lebt. Diese Art der Beschäftigung sei quasi unsichtbar und arbeitsrechtliche Normen daher schwer durchzusetzen, argumentiert Prof. Dr. Eva Kocher. Bei der Live-In-Pflege lägen meist klare Arbeitsverhältnisse vor; in der Realität würden diese Tätigkeiten aber oft als Selbstständigkeit definiert. „Die meisten Arbeitskräfte in dem Bereich sind Frauen über 50. Sie sind extrem abhängig von der Person, bei der sie leben. Eine Begrenzung von Arbeits- und Bereitschaftszeiten gibt es in der Praxis meist nicht“, umreißt die Arbeitsrechtlerin die Probleme. Das Papier fordert hierfür eine klare Anerkennung der Arbeitsverhältnisse und eine Durchsetzung der Arbeitnehmendenrechte.

Das vollständige Policy Paper können Sie hier ansehen.

Hintergrund zum Projekt Care4Care

Das Forschungsverbundprojekt „Care4Care“ hat sich zum Ziel gesetzt, die Arbeitssituation von Pflegekräften in der Europäischen Union zu verbessern. Forschende in sechs europäischen Ländern (Spanien, Schweden, Polen, Italien, Frankreich und Deutschland) erarbeiten im Rahmen des dreijährigen, mit 2,7 Millionen Euro ausgestatteten Vorhabens Lösungsvorschläge für die Pflegesituation auf nationaler und EU-weiter Ebene. 
An der Viadrina befassen sich Prof. Dr. Eva Kocher (Projektleitung) und Dr. Ziga Podgornik-Jakil vom „Center for Interdisciplinary Labour Law Studies“ (C*LLaS) vor allem mit dem nun vorliegenden Policy Paper.
Projekt-Webseite: https://www.care4care.net/

Zeige mir Aktuelles aus der Kategorie...


Sie möchten Pflegewissenschaft abonnieren?

Pflegewissenschaft ist die interntionale, peer-reviewte Fachzeitschrift für alle Berufe der Pflege. Sie möchte einen Beitrag für Wissenschaft, Forschung und Praxis des Pflegeberufes leisten sowie Praktikern konkrete Hilfen und Anregungen geben.

Bleiben Sie stets auf dem aktuellen Stand der Pflegeforschung:

Jetzt Probe lesen