Foto: v.l.n.r.: Prim. Dr. Georg Psota (Chefarzt des PSD-Wien), Sabine Hofer-Gruber (Senior:innenbeauftragte der Stadt Wien), Susanne Winkler (Geschäftsführerin des Fonds Soziales Wien), Marcus Franz (Bezirksvorsteher Favoriten), Peter Hacker (Stadtrat für Soziales, Gesundheit und Sport), Fotograf:in: Gregor Mohar, Fotocredit: Fonds Soziales Wien

FSW-Studie liefert Basis für Wiener Demenzstrategie: Stadt setzt auf ganzheitliche Versorgung und Teilhabe

Derzeit leben in Wien etwa 30.000 Menschen mit Demenz – bis 2050 wird sich diese Zahl voraussichtlich verdoppeln. Um ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse von Betroffenen und ihren An- und Zugehörigen zu gewinnen, hat der Fonds Soziales Wien (FSW) eine umfassende Studie durchgeführt. Im Rahmen einer Pressekonferenz im FSW-Tageszentrum für Senior:innen präsentierten Sozialstadtrat Peter Hacker, FSW-Geschäftsführerin Susanne Winkler und die Senior:innenbeauftragte der Stadt Wien, Sabine Hofer-Gruber, zentrale Erkenntnisse und geplante Maßnahmen im Umgang mit Demenz.

Demenz gehört zur Lebensrealität vieler Menschen dazu, Tendenz steigend. Umso wichtiger ist, dass wir an allen Punkten im Sozialsystem ansetzen, um ein gutes Leben mit Demenz in Wien zu ermöglichen – sei es die gesundheitliche Versorgung, die Pflege, aber auch der öffentliche Raum und das Sozialleben. Wir haben schon viele Maßnahmen gesetzt und werden auch weiterhin konsequent daran arbeiten, so Stadtrat Peter Hacker.

Demenz bei allen Pflege- und Betreuungsangeboten mitgedacht

Demenz ist ein Querschnittsthema. Wir stehen mit vielen Organisationen in der Stadt im engen Austausch, aber auch darüber hinaus im Rahmen der Plattform Nationale Demenzstrategie, erklärt FSW-Geschäftsführerin Susanne Winkler. In der Pflege und Betreuung versorgt der FSW gemeinsam mit 53 Partnerorganisationen rund 58.000 Kund:innen. Demenzielle Erkrankungen werden bei allen Angeboten der Pflege und Betreuung mitgedacht, da die Betroffenen häufig auch anderweitigen Pflegebedarf haben. Zusätzlich gibt es zielgerichtete, spezialisierte Angebote durch den FSW für an Demenz erkrankte Wiener:innen. Sichtbar wird das unter anderem in den Tageszentren für Senior:innen: Alle berücksichtigen Demenz bei Betreuungsplänen und Aktivitäten, zwei spezialisieren sich darauf.

Die Unterstützungsangebote des Fonds Soziales Wien (FSW) decken ein breites Spektrum ab – von ambulanter Pflege im eigenen Zuhause bis hin zur stationären Versorgung in Pflege- und Wohneinrichtungen. Laut der aktuellen Erhebung wünschen sich 69 % der befragten Wiener:innen im Falle einer leichten Demenzerkrankung, zu Hause versorgt zu werden, häufig durch Angehörige. In diesen frühen Phasen spielen mobile und teilstationäre Leistungen wie Hauskrankenpflege, Alltagsbegleitung, Tagesbetreuung sowie betreutes Wohnen eine zentrale Rolle. Bei fortgeschrittener Demenz sehen 59 % der Befragten die stationäre Pflegeeinrichtung als geeignete Betreuungsform. Der FSW stellt dafür Plätze in insgesamt 91 anerkannten Einrichtungen zur Verfügung.

Demenz-Diagnose häufig Zufallsbefund

Zahlreiche befragte Personen mit Demenz berichten, dass ihre Diagnose eher zufällig gestellt wurde – oft deshalb, weil erste Symptome als normale Alterserscheinungen gedeutet werden. Wird eine Demenz schließlich diagnostiziert, fällt es den Betroffenen häufig schwer, diese anzunehmen. Die individuelle Haltung zur Erkrankung beeinflusst maßgeblich, in welchem Umfang Informationen eingeholt und medizinisch-therapeutische Angebote genutzt werden. Auch An- und Zugehörige stehen vor großen Herausforderungen: Neben der emotionalen Belastung fühlen sie sich häufig auch organisatorisch überfordert. Ein zentrales Anliegen ist für viele daher, nicht nur pflegerische Kompetenzen zu erwerben, sondern auch den Umgang und die Kommunikation mit Menschen mit Demenz zu erlernen.

Wie bei jeder anderen Erkrankung ist auch bei Demenz eine frühe Diagnose sehr wichtig – dafür braucht es achtsames medizinisches Fachpersonal ebenso wie aufmerksame Angehörige. In der Betreuung spielen neben dem psychisch-somatischen Befund auch Fragen nach dem Wohnen, der Tagesstruktur und der bestmöglichen Unterstützung pflegender Angehöriger eine zentrale Rolle. Genau dieses Zusammenspiel bildet die Grundlage der Integrierten Versorgung Demenz (IVD) in Wien, weiß Prim. Dr. Georg Psota, Chefarzt des PSD-Wien.

Stigmatisierung, sozialer Rückzug und Sorge vor Belastung der Familie

Im Rahmen der Erhebung schildern Betroffene einen spürbaren Mangel an Empathie und erleben ihr Umfeld häufig als von „höflichem Desinteresse“ geprägt. Die Diagnose führt bei vielen zu sozialem Rückzug – teils aus eigener Initiative, da sie vermeiden möchten, anderen zur Last zu fallen. Diese Sorge teilen 82 % der Wiener:innen. Hinzu kommen weitere Ängste, insbesondere in Bezug auf potenzielle Persönlichkeitsveränderungen im Verlauf der Erkrankung.

Wichtig ist eine Sensibilisierung der Gesellschaft im Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen. Information und Bewusstseinsbildung helfen auch bei der Entstigmatisierung, sagt Sabine Hofer-Gruber, Senior:innenbeauftragte der Stadt Wien. Gemeinsam mit ihrem Team Wien für Senior:innen im FSW sorgt sie für öffentliche Sichtbarkeit, unter anderem mit einem eigens produzierten Erklärfilm Demenz.

Die Plattform Demenzfreundliches Wien vernetzt aktuell rund 100 Organisationen, Projekte, Bezirke und Einzelpersonen, die sich für mehr Demenzfreundlichkeit in der Stadt engagieren. In allen 23 Wiener Bezirken sind eigens benannte Demenz-Koordinator:innen tätig, die als zentrale Ansprechpersonen fungieren und lokale Maßnahmen koordinieren.Sabine Hofer-Gruber weiter: Aktuell arbeiten wir an einer Erhebung und Analyse aller Angebote für Menschen mit Demenz in Wien und wollen diese gebündelt sichtbar und zugänglich machen. Das alles steht unter dem Dach der Wiener Demenzstrategie. Wir setzen Maßnahmen in vier definierten Handlungsfeldern: Bewusstseinsbildung, Teilhabe, Lebensorte und Unterstützungsangebote.

Weitere Informationen zur Studie: fsw.at/Befragungen und Studien/Pflege und Betreuung/Demenz

Informationen und Kontaktmöglichkeit Psychosoziale Dienste: psd-wien.at/gerontopsychiatrisches-zentrum

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