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Austausch zwischen Pflegeforschung und -praxis verbessert die Versorgung von Menschen in der Langzeitpflege

Die Städtischen Seniorenheime Krefeld und das Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln haben eine langfristige Kooperation vereinbart: Der bis Mai 2030 laufende Vertrag schafft die Grundlage für eine enge Zusammenarbeit im Rahmen eines „Living Lab“ – eines Reallabors zur praxisnahen Pflegeforschung. Ziel des gemeinsamen Projekts „PraWiLab – Vernetzung von Pflegepraxis und Wissenschaft in der Langzeitpflege durch den Living Lab Ansatz“ ist es, den Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis systematisch zu stärken. Pflegewissenschaftliche Erkenntnisse sollen schneller in die praktische Arbeit einfließen, während gleichzeitig Impulse aus dem Pflegealltag neue Forschungsfragen anstoßen.

Der demografische Wandel, strukturelle Veränderungen im Gesundheits- und Pflegesystem sowie der Rückgang informeller Pflegekapazitäten stellen Einrichtungen der Langzeitpflege vor wachsende Herausforderungen. Wissenschaftliche Erkenntnisse, die sich an den Bedürfnissen pflegebedürftiger Menschen orientieren, können einen wichtigen Beitrag leisten, um diesen Entwicklungen adäquat zu begegnen. In der Praxis kommen solche Erkenntnisse jedoch häufig erst mit erheblicher Verzögerung an: Studien zufolge vergehen im Durchschnitt mehr als zehn Jahre, bis neue pflegewissenschaftliche Ergebnisse in der täglichen Versorgung tatsächlich umgesetzt werden.

Das Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln und die Städtischen Seniorenheime Krefeld haben den in den Niederlanden bewährten „Living Lab“-Ansatz bereits in der Projektphase von 2021 bis 2024 erfolgreich im Kontext der Versorgung von Menschen mit Demenz in der Langzeitpflege umgesetzt und wissenschaftlich begleitet. Dieses Forschungsformat nimmt reale Versorgungsherausforderungen als Ausgangspunkt und fasst sie inhaltlich und räumlich klar ab – mit dem Ziel, einen kontinuierlichen Wissensaustausch zwischen Wissenschaft und Praxis zu ermöglichen. Dabei fließen aktuelle, evidenzbasierte Erkenntnisse gezielt in die pflegerische Praxis ein, während gleichzeitig Erfahrungen, Fragestellungen und Herausforderungen aus dem Arbeitsalltag der Pflegenden in die Forschung zurückgespiegelt werden. Das Living Lab schafft so eine strukturierte Plattform für die gemeinsame Bearbeitung aktueller Themen. Pflegekräfte in den Einrichtungen profitieren von neuem wissenschaftlichen Input und einer reflektierten Auseinandersetzung mit ihrer beruflichen Praxis. Für die Wissenschaft eröffnet sich ein regelmäßiger Zugang zum Praxisfeld sowie die Möglichkeit, praxisnahe Forschungsfragen zu entwickeln. Im Zentrum stehen dabei stets die konkreten Bedürfnisse der pflegebedürftigen Menschen und die Weiterentwicklung ihrer Versorgung.

Im aktuellen Projekt übernehmen ausgewählte Wissenschaftlerinnen und Praxisvertreterinnen die Rolle sogenannter „Linking Pins“ – verbindender Personen zwischen Forschung und Pflegepraxis. Ergänzend dazu werden in jedem Quartier der Städtischen Seniorenheime Krefeld lokale Arbeitsgruppen eingerichtet. Diese Gruppen identifizieren gemeinsam mit den Linking Pins relevante Themen aus dem Pflegealltag und bearbeiten sie mithilfe wissenschaftlicher Methoden.

Die thematische Arbeit erfolgt im Rahmen eines Quartierskonzepts. Dieses sieht vor, dass die stationäre Pflegeeinrichtung nicht nur innerhalb ihrer Mauern, sondern auch im direkten Wohnumfeld pflegerische Leistungen erbringt – und das, ohne einen eigenen ambulanten Dienst zu betreiben. Auf diese Weise wird die Einrichtung zu einem aktiven Bestandteil des Quartiers und zu einem festen Anker im sozialen Nahraum. Das ermöglicht älteren Menschen individuelle, flexible und alltagsnahe Unterstützungsangebote, die sich an ihren Lebensumständen orientieren. Ziel ist es, pflegebedürftigen Menschen ein dauerhaftes Leben in ihrer vertrauten Wohnumgebung zu ermöglichen.

Im Verlauf des Projekts entwickeln die Teams aus Wissenschaft und Praxis für die konkreten Themen Lösungsansätze und erproben sie in der Praxis. Dr. Martin Dichter, stellvertretender Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft und wissenschaftlicher Leiter des Projekts, sagt: „Im Rahmen des Living Labs können wir kontinuierlich Perspektiven und Wissen zwischen Praxis sowie Wissenschaft teilen. Gemeinsam fördern wir so eine evidenzbasierte Pflege und etablieren für unsere pflegewissenschaftlichen Projekte einen Feldzugang in die ambulante und stationäre Langzeitpflege.“ Jörg Schmidt, Geschäftsführer der Städtischen Seniorenheime Krefeld, ergänzt: „Durch den kontinuierlichen Austausch mit der Wissenschaft steigern wir einerseits unsere Innovationsfähigkeit als Unternehmen. Andererseits schaffen wir durch den Wissenszuwachs der Mitarbeitenden einen qualitativen Gewinn für unsere Menschen mit Pflegebedarf. Damit sind wir sowohl für wissenschafts- als auch für praxisinteressierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein attraktiver Arbeitgeber.“

Das Living Lab Köln-Krefeld ist eng mit dem Institut für Gesundheits- und Pflegewissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg verbunden, wo ebenfalls ein Living Lab im Bereich der Altenpflege eingerichtet wurde. Darüber hinaus bestehen internationale Kooperationen mit Wissenschaftler*innen der Universitäten Maastricht (Niederlande), Leeds (Vereinigtes Königreich) und Graz (Österreich). An allen drei Hochschulen sind Living Labs in der stationären Langzeitpflege entweder seit vielen Jahren erfolgreich etabliert oder befinden sich derzeit im Aufbau. Diese internationale Vernetzung fördert den fachlichen Austausch und ermöglicht eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Ansatzes.

Wissenschaftliche Ansprechpartner:
Dr. Martin Dichter
Institut für Pflegewissenschaft der Universität zu Köln
+49 221 478 34640
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