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Deutscher Pflegerat: Pflegebudget und Personalbemessung sind unverzichtbar

In der aktuellen Diskussion rund um das Pflegebudget in der Krankenhausvergütung stehen vor allem wirtschaftliche Aspekte im Vordergrund – dabei gerät laut Deutschem Pflegerat (DPR) leicht aus dem Blick, worum es im Kern geht. Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerats (DPR), betont: „Das Pflegebudget schützt vor ruinösem Rationalisierungsdruck. Wer es infrage stellt, riskiert den Rückfall in alte Muster mit fatalen Folgen für die Versorgung.“

Pflege darf nicht auf Effizienz verkürzt werden

Über viele Jahre hinweg wurde die Pflege im Krankenhaus über Fallpauschalen mitfinanziert – ein System, das zwar ökonomische Effizienz förderte, zugleich aber Personalabbau begünstigte und die Qualität der Pflege gefährdete. Mit der Einführung des Pflegebudgets erfolgte eine überfällige Korrektur, die zu einem Personalaufbau beigetragen hat. Dass die Ausgaben für Pflege seither gestiegen sind, bewertet der Deutsche Pflegerat nicht als Fehlentwicklung, sondern als notwendige Konsequenz jahrzehntelanger Versäumnisse. „Faire Löhne und mehr Personal sind kein Luxus. Sie sind notwendig, um Pflegeberufe attraktiv zu machen und die Versorgung zu sichern“, so Vogler.

Kritik daran, dass mehr Geld und mehr Personal die Probleme bei der Einhaltung der Personalmindeststandards nicht vollständig gelöst hätten, lässt das Pflegebudget nicht in Frage stellen. Ursache dafür ist unter anderem der Mangel an qualifiziertem Personal auf dem Arbeitsmarkt. Weitere Gründe liegen in einer überfrachteten Krankenhauslandschaft sowie in ökonomischen Fehlanreizen. „Ein Personalaufbau bedeutet zudem nicht automatisch, dass genügend Personal und zudem mit der richtigen Qualifikation vorhanden ist, um eine stabile Versorgung zu erreichen“, so Vogler.

Produktivität ist nicht gleich Versorgungssicherheit

Der DPR kritisiert ausdrücklich die Debatte um eine vermeintliche Pflegepersonalproduktivität: „Pflege ist keine Maschine“, betont Vogler. „Die Vorstellung, mit möglichst wenig Personal möglichst viel Leistung zu erzeugen, ist kein ökonomisches Prinzip, sondern eine Fehlinterpretation von Effizienz. Sie führt nicht zu Produktivität, sondern zu Erschöpfung, Qualitätsverlust und Berufsausstieg. Das ist Pflege auf Verschleiß.“ Wissenschaftlich ist belegt, dass eine qualitativ und quantitativ angemessene Personalausstattung mit einer hohen Versorgungsqualität einhergeht. Eine Effizienzdebatte, die diese Zusammenhänge außer Acht lässt, gefährdet die Versorgungssicherheit und schadet der Profession. Dabei wird häufig übersehen, dass die Pflege einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung eines Krankenhauses und seiner Leistungen leistet und somit ein entscheidender Wertschöpfungsfaktor ist.

Auch die Behauptung, dass die Tarifpartner aufgrund des Pflegebudgets keinen Grund für maßvolle Tarifabschlüsse hätten, hält einer sachlichen Prüfung nicht stand. Denn wenn dem so wäre, wären die Personalkosten in der Pflege lediglich reine Durchlaufposten und könnten weder den von Ökonomen im Zusammenhang mit dem Budget kritisierten Budgetstau noch hohe Transaktionskosten verursachen.

Pflege ist keine Verfügungsmasse, die einfach von einem Standort zum anderen verschoben werden kann, wie es teilweise aus wirtschaftlichen Überlegungen suggeriert wird. Dies gilt besonders dann, wenn das vorhandene Personal am bisherigen Standort bei geringerer Leistungsdichte bereits das qualitativ und quantitativ angemessene Personal darstellt. Ebenso trifft dies zu, wenn das Personal eine andere Fachrichtung hat und durch eine Verschiebung funktionierende Teamstrukturen zerstört würden.

Reformen müssen Pflege stärken, nicht schwächen

Die Lösung liegt laut DPR daher in der Beibehaltung des Pflegebudgets. Gleichzeitig ist ein umfassender Strukturwandel erforderlich: Weniger, dafür leistungsstarke Krankenhäuser mit klar definierten Versorgungsaufträgen, eine verbindliche Personalbemessung durch PPR 2.0, ein qualifikationsgerechter Personalmix sowie eine pflegerisch geleitete Steuerung. Fehlsteuerungen, wie der Einsatz hochqualifizierter Pflegefachpersonen für fachfremde Aufgaben, sind keine Folge des Pflegebudgets, sondern Ergebnis von Managemententscheidungen. Auch die Behauptung, Hilfskräfte seien nicht refinanzierbar, ist schlicht falsch.

Gleichzeitig fordert der DPR, dass auch die ambulante Pflege und die stationäre Langzeitpflege in den Blick genommen werden. Dort gelten die gleichen Muster: Fachpersonenmangel, Unterfinanzierung, hohe Belastung. Die Einführung der Personalbemessung in der stationären Langzeitpflege (PeBeM) ist ein Meilenstein. Sie muss jedoch verbindlich umgesetzt und solide finanziert werden. „PeBeM darf kein Papiertiger bleiben. Es braucht eine Umsetzung, die die Rolle der Fachpersonen stärkt“, so Vogler.

Pflege ist in allen Versorgungsbereichen Daseinsvorsorge

Pflege muss als zentraler Bestandteil und Partner:in des Gesundheitssystems anerkannt werden – als eigenständiger Heilberuf mit hoher Verantwortung, komplexen Aufgaben, Steuerungskompetenz und Systemrelevanz. Dafür sind das Pflegekompetenzgesetz sowie eine zügige Krankenhaus- und Pflegereform mit stärkerer Vernetzung der Versorgungsbereiche erforderlich.

„Wer die Pflege schwächt, schwächt die Versorgung“, betont Vogler. „Pflege ist ein Innovations- und Leistungsfaktor. Sie ist über alle Schnittstellen hinweg das Rückgrat der Versorgung und ist ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge. Vertretungsstrukturen der Profession Pflege müssen gesetzlich verankert werden, um das Know-how der Pflege angemessen in das Gesundheitssystem zu integrieren.“

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