Foto: Der Klimawandel mit seinen zunehmenden Hitzeereignissen ist auch für die Pflegewissenschaft ein großes Thema. HSBI-Pflegewissenschaftlerinnen geben Tipps für den Umgang mit hohen Temperaturen. (c) K. Starodubskij/HSBI
Klimawandel und Hitzerekorde: Neue Projekte und Empfehlungen von HSBI-Pflegewissenschaftlerinnen
Diese Woche steigen die Temperaturen auf Rekordwerte. Pflegewissenschaftlerinnen der Hochschule Bielefed empfehlen bei Temperaturen über 30 Grad besondere Vorsicht. Besonders ältere und chronisch kranke Menschen sowie Schwangere und Kinder sollten bestimmte Schutzmaßnahmen beachten. Die Forschenden widmen sich zudem weiteren Themen rund um Klimawandel und Nachhaltigkeit: In ihrem Projekt „Green Guide for Nursing“ verbinden sie wissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischen Erfahrungen.
Der 2. Juli wird voraussichtlich der heißeste Tag des Jahres mit Temperaturen von bis zu 36 Grad und mehr sein. Meteorologisch spricht man von einem wirklich „heißen“ Tag, wenn das Thermometer über 30 Grad klettert. „Wir wissen aus der Forschung, dass an Hitzetagen die Häufigkeit, ins Krankenhaus eingewiesen zu werden, bei älteren und chronisch kranken Menschen zunimmt“, sagt Prof. Dr. Christa Büker, Professorin für Pflegewissenschaft am Fachbereich Gesundheit der Hochschule Bielefeld (HSBI). „Deshalb ist der Klimawandel mit seinen zunehmenden Hitzeereignissen auch für uns Pflegewissenschaftler:innen ein großes Thema.“
Direkte Sonneneinstrahlung meiden und ausreichend trinken
In den letzten drei Sommern sind in Deutschland schätzungsweise über 10.000 Menschen an den Folgen von Hitze gestorben, so das Robert-Koch-Institut. Besonders ab einem Alter von 65 Jahren steigt das Risiko deutlich an. Symptome wie Erschöpfung, Schwindel und Verwirrtheit sind wichtige Warnzeichen, die unbedingt Beachtung finden sollten. Doch wie lässt sich das Risiko verringern? „Am besten ist es natürlich, sich gar nicht erst der Hitze auszusetzen und vor allem direkte Sonneneinstrahlung zu meiden“, rät die HSBI-Professorin. „Ausreichend zu trinken ist dabei auch in geschlossenen Räumen sehr wichtig.“
Und wenn man doch mal vor die Tür muss? „Dann sollte man unbedingt leichte, helle und locker sitzende Kleidungsstücke aus Naturmaterialien tragen“, sagt Büker. Denn helle Farben reflektieren die Sonnenstrahlen, und ein lockerer Sitz der Kleidung ermöglicht eine gute Luftzirkulation. So bleibt die Haut kühler.
Medikamente niemals großer Hitze aussetzen
„Besonders aufpassen müssen Personen, die Medikamente nehmen“, benennt Christa Büker einen Punkt, der häufig vergessen wird. „Manche Medikamente wirken bei Hitze verstärkt, bei anderen wiederum können die erwünschten Wirkungen zu Problemen führen, wenn beispielsweise bei der Einnahme von entwässernd wirkenden Arzneien ein Flüssigkeitsmangel droht überhaupt nicht. Bestimmte Medikamente können außerdem die Fähigkeit des Körpers beeinträchtigen, Hitze gut zu bewältigen, etwa wenn sie das Schwitzen hemmen. Bei Hitze sollten Medikamente grundsätzlich an einem kühlen, trockenen und lichtgeschützten Ort gelagert werden.“
Die Professorin betont, dass mittlerweile nicht nur ältere, pflegebedürftige und chronisch kranke Menschen zu den besonders gefährdeten Gruppen bei Hitzeereignissen gehören. „Heute weiß man, dass zum Beispiel auch schwangere Frauen sehr gefährdet sind, weil sie einen ganz anderen Stoffwechsel haben“, so Büker. „An Hitzetagen gibt es nachweislich eine erhöhte Anzahl an Fehlgeburten. Und auch Kinder setzen sich im Freien einem hohen Risiko aus – das ist viel zu wenig im Blick. Sie haben nämlich noch nicht so einen stabilen Temperaturhaushalt wie Erwachsene.“
Wissenschaft trifft breite Öffentlichkeit – mit einem Klimaquiz
Für die HSBI-Professorin ist eine umfassende Sensibilisierung der Bevölkerung der entscheidende Weg, um mehr Menschen vor den gesundheitlichen Folgen sommerlicher Hitze zu schützen. „Die Stadt Bielefeld etwa hat einen sehr guten Aktionsplan ausgearbeitet und informiert umfassend, zum Beispiel über ihr Hitze-Portal im Internet“, sagt Christa Büker. „Ansonsten kann ich den ‚Hitzeknigge‘ des Umweltbundesamtes empfehlen, den es als kostenlosen Download gibt.“
Auch die Wissenschaftler:innen am Fachbereich Gesundheit der HSBI selbst wollen das Thema verstärkt in die Öffentlichkeit bringen. „Zum Tag der Offenen Tür unserer Hochschule am 24. Mai haben wir ein Klimaquiz auf die Beine gestellt – das ist hervorragend angekommen“, erzählt Christa Büker. Zwei ihrer wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen, Dr. Eva Cruel und Karina Ilskens, haben es recherchiert und vor allem kreativ aufgearbeitet. Nach dem Vorbild der Kinder-Quizshow „1, 2 oder 3“ konnten Besucher:innen sich für Antworten auf Fragen entscheiden, in dem sie sich auf das entsprechende Feld auf dem Boden stellten. „Es wurde also wie im Fernsehen viel herumgehüpft“, sagt Eva Cruel. „Das war interaktiv, lustig und hat allen großen Spaß gemacht.“
Weniger Ressourcenverbrauch, bessere Ernährung: So geht nachhaltiges Pflegen
Im Mittelpunkt stand die Vermittlung der engen Verbindung zwischen der Gesundheit unseres Planeten und der individuellen Gesundheit der Menschen. Dieses Thema gewinnt in den Pflege- und Gesundheitsstudiengängen der HSBI zunehmend an Bedeutung. Im Rahmen des Projekts „Planetary Health and Nursing“ wurden kürzlich vier neue Lehrmodule entwickelt. Aktuell fördert die Stiftung Innovation in der Hochschullehre das Forschungsprojekt „Green Guide for Nursing“. „Ziel ist es, jetzt konkrete Handlungsempfehlungen zusammenzutragen, damit Pflegefachpersonen in ihrem Arbeitsalltag nachhaltig tätig werden können“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Karina Ilskens. Am Projektende soll ein Handbuch entstehen, das Wege zu nachhaltiger Pflege aufzeigt: mit reduziertem Ressourcenverbrauch, klimagerechter Ernährung, wirkungsvoller Klimakommunikation und guter Vorbereitung auf extreme Wetterlagen.
„Recherche und Texterstellung haben wir bereits abgeschlossen“, sagt Eva Cruel. „Nun befassen wir uns damit, wie wir das Handbuch gestalten, damit Menschen aus der Berufspraxis wirklich Lust bekommen, das auch umzusetzen. Dazu erstellen wir gerade ganz viele kleine Aktionen.“ Zum Beispiel stellt sich die Frage, wie es Pflegenden gelingt, den Verbrauch von Handschuhen zu reduzieren. Das ist keineswegs trivial, denn auch kleine Einsparungen können eine große Wirkung entfalten: In deutschen Krankenhäusern fallen täglich durchschnittlich sieben bis acht Tonnen Abfall an. Etwa sechs Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland stammen aus dem Gesundheitssektor. Dabei ist das Einsparpotenzial erheblich: Pflegeheime könnten ihren CO2-Fußabdruck mit vergleichsweise geringem Aufwand um rund 15 Prozent senken.
Klimaschutz im Pflegealltag geht nur gemeinsam
Um den Pflegestudierenden die Inhalte des Handbuchs anschaulicher und unterhaltsamer zu vermitteln, hat das Projektteam sogenannte Educational Escape Rooms entwickelt. So wird das Seminar zu einem Online-Spiel, bei dem die Lerninhalte auf spielerische Weise vermittelt werden. „Eva und ich haben im Bachelor Gesundheitskommunikation studiert“, sagt Ilskens. „Das zahlt sich jetzt aus. Es geht uns um das Gefühl dafür, dass es auch Spaß macht, nachhaltiges Denken im Job umzusetzen – darum, dass man tatsächlich etwas erreichen kann.“
Denn aufgrund der hohen Arbeitsbelastung im Klink- und Pflegeheimalltag bleibt erfahrungsgemäß vieles auf der Strecke. „Und da ist auch oft dieses Ohnmachtsgefühl: Ich kann alleine eh nichts verändern“, sagt Professorin Christa Büker. „Tatsächlich geht es auch nur gemeinsam. Und in manchen Einrichtungen gibt es ja bereit interdisziplinäre Green Teams, wo Mitarbeitende aus Pflege, Medizin, Küche und Facility Management sich zusammen daranmachen, um zum Beispiel den Ressourcenverbrauch zu verringern oder klimafreundlichere Speisepläne zu erstellen.“
Klimawandel ist die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit
Entscheidend für das Gelingen eines Projekts sei die Rückkopplung mit der Praxis. „Dafür haben wir unsere Fokusgruppen, bestehend aus Expert:innen und Wissenschaftler:innen, die jeden Tag in Krankenhäusern und Heimen arbeiten bzw. in diesem Bereich forschen“, so Prof. Dr. Änne-Dörte Latteck, Prodekanin im Fachbereich Gesundheit der HSBI und Leiterin mehrerer Forschungsprojekte. „Hier sammeln wir Ideen und stimmen unsere eigenen ab.“ Wissenschaftliche Erkenntnisse, abgeglichen mit der Praxis und multipliziert mit einem Spaßfaktor – das zeichnet das Projekt Green Guide for Nursing aus.
Höchste Zeit dafür ist es. „Mir ist aufgefallen, dass in der Literatur anstatt des Begriffes Klimawandel immer öfter Klimakatastrophe verwendet wird“, sagt Änne-Dörte Latteck. „Die Pflegewissenschaften betrifft das zunehmend. Schon 2015 hat die Lancet-Kommission den Klimawandel als die größte Bedrohung für die menschliche Gesundheit bezeichnet. Umso mehr gilt das heute und in Zukunft.“
Event-Tipp
Auf dem diesjährigen Lernwelten-Kongress vom 25.-26. September 2025 können Sie einen Workshop von Karina Ilskens & Prof. Dr. Änne-Dörte Latteck der Hochschule Bielefeld zum Thema „Green Guide for Nursing: Klimakompetenz als Future Skill spielerisch & digital verankern mithilfe von Escape Rooms“ besuchen. Weitere Informationen zur Veranstaltung und Tickets finden Sie unter www.lernwelten.info
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